Marion Liedtke
28. Oktober 2025

Die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung steht vor einem entscheidenden Wendepunkt. Am 24. Oktober 2025 versammelten sich Stadtbaumeisterinnen und Stadtbaumeister sowie Bauamtsleiterinnen und Bauamtsleiter aus Oberbayern in der historischen Großen Kreisstadt Eichstätt zur 12. Stadtbaumeistertagung, um sich einem der revolutionärsten Zukunftsthemen unserer Zeit zu widmen: dem Einsatz Künstlicher Intelligenz in der kommunalen Verwaltung, mit besonderem Fokus auf die Bauverwaltung.

Als Experte für dieses hochaktuelle Thema konnte Dr.-Ing. Manuel Bordasch, Technischer Leiter und CTO der CompAn Labs GmbH, gewonnen werden. Seine Präsentation „Einführung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der kommunalen Verwaltung – insbesondere der Bauverwaltung“ bot den Teilnehmenden nicht nur theoretische Einblicke, sondern vor allem praxisnahe Lösungsansätze für die Herausforderungen des kommunalen Alltags.

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Eine IW Consult Studie prognostiziert ein Wertschöpfungspotenzial von 24 Milliarden Euro durch den Einsatz von KI im öffentlichen Sektor. Besonders bemerkenswert: 82 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst profitieren direkt von generativer KI – ein deutlich höherer Anteil als in der Privatwirtschaft mit 70 Prozent.

Bereits über 500 deutsche Kommunen testen erste KI-Anwendungen, während 63 Prozent der Behörden bis 2026 den KI-Einsatz planen. Diese Entwicklung ist keineswegs Zukunftsmusik, sondern bereits gelebte Realität in deutschen Verwaltungen.

Praxisbeispiele: KI im kommunalen Einsatz

Dr.-Ing. Bordasch präsentierte in seinem Vortrag konkrete Erfolgsgeschichten aus deutschen Kommunen, die zeigen, wie KI bereits heute kommunale Prozesse revolutioniert:

Gelsenkirchen: EMMA – Die KI-Assistentin

Die Stadt Gelsenkirchen hat mit EMMA®AI die erste rechtssichere und halluzinationsfreie KI-Assistentin im Bürgerservice einer deutschen Großstadt eingeführt. Entwickelt von der evocenta GmbH aus Gelsenkirchen, beantwortet EMMA Fragen zu Behördengängen, Wohnsitzummeldung und Müllabholung – und das per Telefon, E-Mail und Chat. Die KI-Assistentin arbeitet auf Basis der europäischen Aleph Alpha Technologie und soll ab 2026 im Vollbetrieb den Bürgerservice rund um die Uhr unterstützen.

Heidelberg: Lumi im virtuellen Bürgeramt

Seit 2022 unterstützt der Chatbot Lumi die Stadt Heidelberg im Bürgerservice. Basierend auf Large Language Models des in Heidelberg ansässigen Unternehmens Aleph Alpha, beantwortet Lumi täglich rund 40 Anfragen und hat seit seinem Start über 4.500 Bürgeranliegen bearbeitet. Anders als einfache Chatbots versteht Lumi den semantischen Kontext von Fragen und liefert individuell zugeschnittene Antworten in natürlicher Sprache.

Vialytics: KI-gestützte Straßenerfassung

Über 1.000 Kommunen in sieben Ländern nutzen bereits die KI-Lösung von Vialytics zur Straßenzustandserfassung. Mit über 190.000 Kilometern erfasster Straßen und einer Zeitersparnis von 80 Prozent gegenüber manueller Begehung revolutioniert das System die Infrastrukturpflege. Die KI analysiert automatisch Bilder in 15 Schadenskategorien und erstellt digitale Abbilder des Straßennetzes.

Kernbereiche der KI-Automatisierung in der Verwaltung

Dr.-Ing. Bordasch identifizierte in seinem Vortrag vier zentrale Einsatzfelder für KI in der kommunalen Verwaltung:

1. KI-Agenten für Wissensdatenbanken

Intelligente Verwaltungsassistenten mit Zugriff auf alle relevanten Datenbestände können die automatische Suche in Gesetzen und Richtlinien durchführen, konsistente Antworten liefern und dabei eine erhebliche Zeitersparnis bei Recherchen ermöglichen. Die sichere Installation auf eigenen Servern gewährleistet maximalen Datenschutz, während die nahtlose Einbindung in bestehende Fachverfahren eine reibungslose Integration ermöglicht.

2. Intelligente Bürgeranfragen-Bearbeitung

Chatbots mit automatischer Kategorisierung und Weiterleitung können Anfragetypen automatisch erkennen (Meldewesen, Steuern, Bauen etc.), 24/7 Antworten für Bürger bereitstellen und Standardfragen sofort beantworten. Komplexe Anfragen werden dabei automatisch an die zuständigen Sachbearbeiter weitergeleitet, wodurch diese sich auf anspruchsvolle Aufgaben konzentrieren können.

3. Automatisierte Bauantrags-Prüfung

Die automatische Erkennung fehlender Unterlagen, Prüfung gegen Bauordnung und örtliche Vorschriften sowie die Schlüssigkeitsprüfung von Plänen und Berechnungen können die Erstprüfungszeit deutlich reduzieren. Die vollständige Dokumentation aller Prüfschritte gewährleistet dabei eine konsistente Anwendung der Bauvorschriften und ermöglicht die frühe Erkennung von Planungsfehlern.

4. Weitere Anwendungsfelder

Zu den weiteren KI-Einsatzgebieten zählen Protokollführung mit automatischer Ausgabe unterschiedlicher Protokoll-Arten, E-Mail- und Kalender-Management, die Überprüfung technischer Planungen und Leistungsverzeichnisse sowie Problemlösungs-Assistenten mit umfassendem Verwaltungswissen.

Datenschutz und technische Sicherheit: Die Grundpfeiler

Ein zentraler Schwerpunkt des Vortrags lag auf den datenschutzrechtlichen und technischen Anforderungen beim KI-Einsatz. Dr. Bordasch betonte die Bedeutung der DSGVO-Konformität, rollenbasierter Zugriffsrechte und Anonymisierungs- sowie Pseudonymisierungstechniken.

Besonders wichtig ist die Entscheidung zwischen On-Premise und Cloud-Infrastruktur: Während Cloud-Lösungen Skalierbarkeit bieten, ermöglichen On-Premise-Installationen maximale Datensouveränität. Die Implementierung von Audit-Trails für volle Nachvollziehbarkeit sowie umfassende Technische und Organisatorische Maßnahmen (TOM) bilden das Fundament für sichere KI-Systeme.

Mit dem EU AI Act, der bis August 2026 umgesetzt werden muss, gelten erstmals verbindliche Regeln für den KI-Einsatz in öffentlichen Verwaltungen. Kommunen müssen dabei nicht nur bestimmte KI-Praktiken unterlassen, sondern auch Schulungen für alle Mitarbeitenden anbieten, die mit KI-Systemen befasst sind.

Kosten, Personal und strategische Herangehensweise

Die Investitionskosten für KI-Systeme umfassen Software, Hardware und Integration in die IT-Infrastruktur, während die Betriebs- und Wartungskosten laufende Lizenzen, Updates und Support beinhalten. Die personellen Auswirkungen reichen von der Umschulung bestehender Mitarbeiter über Neueinstellungen von KI-Spezialisten bis zur Transformation von Arbeitsplätzen.

Dr.-Ing. Bordasch empfahl eine stufenweise Einführung mit Pilotprojekten, bei der Erfahrungen gesammelt und der Mehrwert nachgewiesen wird, bevor eine schrittweise Skalierung erfolgt. Die frühzeitige Einbindung von Stakeholdern und transparente Kommunikation sind dabei ebenso wichtig wie die Schaffung einer robusten und sicheren IT-Infrastruktur.

Maßgeschneiderte Schulungen zur Stärkung digitaler Kompetenzen, die Definition klarer KPIs zur Erfolgsmessung sowie der Austausch von Best Practices und Kooperationen mit anderen Kommunen bilden weitere Erfolgsfaktoren.

CompAn Labs: Innovationspartner für den Mittelstand

Als CTO von CompAn Labs bringt Dr. Bordasch umfassende Expertise in KI-Lösungen für kleine und mittlere Unternehmen sowie den öffentlichen Sektor mit. Das Unternehmen mit Sitz in Markdorf hat sich auf KI-basierte und konventionelle Datenanalyse spezialisiert und entwickelt mit seiner Plattform Dashlake® speziell auf die Bedürfnisse von KMUs zugeschnittene Lösungen.

Dashlake kombiniert Data Intelligence, Data Analysis, Data Management und Collaboration in einer zentralen Plattform und ermöglicht die Integration verschiedenster Datenquellen, Custom AI-Modelle, interaktives Team-Management sowie intelligente Dokumentenverarbeitung. Die Plattform kann sowohl in der Cloud als auch On-Premise betrieben werden und gewährleistet damit maximale Flexibilität bei der Einhaltung von Datenschutzanforderungen.

Die Stadtbaumeistertagung: Tradition und Innovation

Die Arbeitsgemeinschaft der Oberbayerischen Stadtbaumeister organisiert regelmäßige Tagungen, um den fachlichen Austausch und die Vernetzung unter Kolleginnen und Kollegen zu fördern. Neben der Tagung in Eichstätt findet jährlich die große Jahresfachtagung des Bayerischen Gemeindetags in Gunzenhausen statt, an der über 200 Bauamtsleiterinnen und Bauamtsleiter aus ganz Bayern teilnehmen.

Diese Veranstaltungen bieten die ideale Plattform für Fortbildung, Erfahrungsaustausch, Networking und berufs- und fachpolitischen Dialog. Die Themen orientieren sich dabei stets an den täglichen Herausforderungen und Aufgabenstellungen in den kommunalen Bauämtern, wobei auch Best-Practice-Vorträge von Kollegen für Kollegen einen wichtigen Bestandteil bilden.

Ausblick: KI als Schlüssel zur zukunftsfähigen Verwaltung

Dr.-Ing. Bordasch schloss seinen Vortrag mit einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen: Roboter-Assistenten werden den Bürgerservice verbessern und Wartezeiten verkürzen, autonome Drohnen ermöglichen effiziente Infrastrukturinspektionen, und mobile Roboter gewährleisten schnelle und sichere Dokumentenzustellung in der internen Logistik.

Die zentrale Botschaft des Vortrags war eindeutig: KI ist keine Option mehr, sondern Notwendigkeit für zukunftsfähige Kommunen. Mit der richtigen Strategie, ausreichend Schulung und einer klaren Vision können Städte und Gemeinden die enormen Potenziale von KI nutzen, um ihre Verwaltung effizienter, bürgerfreundlicher und innovativer zu gestalten.

Die WIK-Kurzstudie „KI in Kommunen“ kommt zu dem Schluss, dass schlüsselfertige KI-Lösungen von spezialisierten Anbietern es auch weniger digitalisierten Kommunen ermöglichen, die Potenziale von KI zu nutzen. Diese Lösungen zeichnen sich durch schnelle Implementierbarkeit und geringen Bedarf an eigenen Entwicklungskompetenzen aus – ein wichtiger Faktor für kleinere Kommunen mit begrenzten Ressourcen

Fazit: Der Weg zur KI-gestützten Verwaltung

Der Vortrag von Dr.-Ing. Manuel Bordasch in Eichstätt hat eindrucksvoll gezeigt, dass die Einführung von KI in kommunalen Verwaltungen nicht nur technisch möglich, sondern bereits Realität ist. Mit konkreten Praxisbeispielen, klaren Handlungsempfehlungen und einem realistischen Blick auf Chancen und Herausforderungen bot die Präsentation wertvolle Orientierung für alle Stadtbaumeisterinnen und Stadtbaumeister auf ihrem Weg in die digitale Zukunft.

Die historische Stadt Eichstätt bildete dabei die perfekte Kulisse für diese zukunftsweisende Veranstaltung – ein Symbol dafür, dass Innovation und Tradition keine Gegensätze sein müssen, sondern sich gegenseitig bereichern können. Während die barocke Architektur der Altstadt von jahrhundertealter Baukunst zeugt, ebnet die Diskussion über künstliche Intelligenz den Weg für die Verwaltungsarbeit der kommenden Jahrzehnte.

Für Kommunen gilt es nun, die gewonnenen Erkenntnisse in konkrete Schritte umzusetzen: von der Entwicklung einer KI-Strategie über die Auswahl geeigneter Pilotprojekte bis hin zur Schulung der Mitarbeitenden. Mit der richtigen Herangehensweise, ausreichend Ressourcen und der Unterstützung erfahrener Partner wie CompAn Labs steht einer erfolgreichen digitalen Transformation nichts mehr im Wege.

Die Botschaft der Stadtbaumeistertagung 2025 ist klar: Die Zukunft der kommunalen Verwaltung ist intelligent, vernetzt und bürgerorientier – und diese Zukunft hat bereits begonnen.